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Bayern geht baden

 

ein königlich verblödetes Wasserleichenbegängnis

 

Vor 125 Jahren wurden im Würmsee bei Berg in Bayern zwei Leichen im Wasser gefunden. Die eine wurde als die Leiche eines fortschrittlichen Psychiaters identifiziert, die andere als die Leiche eines verfetteten, stark alkoholisierten und zumindest in seiner Wahrnehmung der Realität völlig gestörten, abgesetzten Kronen-trägers (es handelte sich nicht um Zahnkronen: „königliche Hoheit“ stank ziemlich faulig aus dem Mund, weil sie niemand an ihre Zahnstumpen ranließ).

 

Eine der beiden Wasserleichen wird im südlichen Teil Bayerns nach 125 Jahren gefeiert, als gehöre sie zu einer bedeutenden historische Figur, als hätte sie großes geleistet, und nicht nur völlig unsinnige Schlösser bauen lassen, in blanker Selbstüberschätzung als Imitat des französischen Sonnenkönigs. In einer Zeit, als große Umwälzungen stattfanden und Millionen Menschen in den Manufakturen und Fabriken ausgebeutet wurden und jämmerlich lebten und starben.

 

In Bayern hupfen kurzlederhosige Mannen mit dicken Gamsbärten und Abbildungen der nachmaligen Wasserleiche herum, wünschen sich um 125 Jahre zurückversetzt und spekulieren bei mehreren Litern Bier über mögliche Todesarten ihres hochverehrten Popstars.

 

 

Auf Herrenchiemsee, wo das Grundgesetz der Bundesrepublik 1948 beraten wurde, wird eine mit Millionen Steuergeldern finanzierte Verblödungsausstellung gezeigt, die posthum oder postaqua den Ludwig2Bayern in einer „Götterdämmerung“ (so der Untertitel der Ausstellung) vergöttlicht. Da wird er zum Erfinder der Glühbirne, der Luftfahrt und der Sozialgesetzgebung stilisiert, mit Kennedy und Michael Jackson verglichen. Urheber dieser Ausstellung sind Wissenschaftler des „Haus der Bayerischen Geschichte“. Wissenschaftler? Oder Volksverdummer?

 

Da dachten sich ein paar Menschen, die noch bei Sinnen waren, man könnte vielleicht das Spektakel ein bisschen ironisieren, derblecken oder verhohnepiepeln. Und meldeten eine Versammlung zum Thema „Demokratie und Monarchie“ mit kulturellem Beitrag am Seeufer an. Also dort wo sich die Ludwixer unterhalb einer fürchterlich pathetisch-hohlen Gedächtniskapelle zum Beten für die arme Seele ihres Idols angesichts eines Kreuzes im Wasser versammeln.

 

Alle Demokraten und Freunde des Wassersports wurden eingeladen, dort wo das Schwimmen ansonsten verboten ist, sich freizuschwimmen von den Relikten der Monarchie. Der Park gehört dem sog. Wittelsbacher Ausgleichsfonds, einer 1926 gegründeten Stiftung zur Alimentierung der arbeitsscheuen Angehörigen der 1918 vor der Demokratie geflohenen königlichen Räuberbande. Diese Stiftung ist wohl die einzige, die ihr Vermögen nicht offen legen, sich keiner Rechnungsprüfung unterziehen und keine Steuern bezahlen muss. Die Funktionäre dieser monarchistischen Vereinigung wollten die satirische Versammlung „aus Pietätsgründen“ nicht zulassen. So als sei das Versammlungsrecht von ihren Gnaden abhängig. En freundlicher Beamter des (immerhin 1918 gegründeten) Freistaats klärte die Herren darüber auf, dass das Versammlungsrecht ein hohes Gut sei und sie die Versammlung zwar nicht begrüßen aber dulden müssten, sonst hätten sie wohl einen Prozess zu erwarten, den sie nur verlieren könnten. Da waren die Herren mit dem „von“ ganz kleinlaut und brummelten nur noch etwas von einer „Verunglimpfung“ ihrer Vorfahren.

 

Am 13. Juni 2011 versammelten wir uns am Seeufer mit Schwimmflossen, Badehauben, Schnorchel, Schwan, aufgeblasenem Krokodil und Dinosaurier, Krönchen, Luftmatratze, LudwixBier und Ludwiximitat. Auch die grünen uniformierten Spanner waren mit vielen Kräften zu Wasser und zu Lande einsatzbereit. Zu Lande tarnten sie sich mit grünen Büschen, zu Wasser saßen sie mit Ferngläsern und Fotoapparaten in einem stattlichen Motorboot und in einem unauffälligen Ruderkahn.

Der mit insgesamt 12 silbernen Sternen dekorierte 1. Polizeioberrat Reller teilte uns zwar „aus polizeitaktischen Gründen“ die Anzahl der Uniformierten nicht mit, wollte auch seine Funktion. als unser „Dienstleistungspersonal“ beschrieben, nicht gerne hören, machte uns aber in strömendem Regen das Kompliment, wir seien „keine Schönwetterdemonstranten“. Das war natürlich für einen 1. Polizeioberrat ungeheuer witzig und ein Zeichen von großer Entspanntheit.

 

Das Gedicht „In Treue fest“ von Erich Mühsam wurde a capella gesungen, die OpernBayern verschrammelten Wagneroperngedröhn, ein toter Ludwig, von einem lederhosigen Jungmann wach geküsst, ging ins Wasser – begleitet von etlichen Schwimmern in bunter BadeKostümierung. Streng beobachtet von grünen Voyeuren schwammen wir uns frei von der verblödeten bierseligen Ludwixerei, an der auch Franz Bayern teilgenommen hatte – das Oberhaupt der alimentierten Wittelsbachnachkommen. Die trauern um ihre verlorene königliche Ehre – die Freischwimmer hatten eine wunderbare demokratische Gaudi und sind zuversichtlich, dass der sog. Wittelsbacher Ausgleichsfonds bald abgeschafft und für kulturelle und soziale Zwecke verwendet wird.

 

Wolfram P. Kastner

Juni 2011

 


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