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Townscape

1994, Acryl auf Leinwand, 120 x 120cm

 


 

 

Townscape

 

Wolfram Kastner sieht sich als "Forscher der Wahrnehmung". Kastner, in besonderem Maße vom Phänomen Stadt fasziniert, diesem Brennpunkt von Kultur und Barbarei zugleich, der letztlich ebensogut Botticellis Venus hervorgebracht hat wie die Greueltaten der Nazis. Dem Thema Stadt widmet sich Kastner bereits seit mehr als zehn Jahren, und gerade in letzter Zeit hat es in überraschenden Formulierungen eine dominierende Rolle in seinem Werk übernommen.

In den Stadtbildern der späten 80er Jahre nehmen die Häuser anthropoide Züge an und beginnen zu tanzen. Kastner faszinierten diese Bauwerke in ihrer ragenden Erscheinung, als Bausteine des Stadtorganismus und Zentren urbanen Lebens.

Eine Amerikareise öffnete dem Künstler für das bereits zuvor schon versuchsweise ausgelotete Thema neue Perspektiven und dies im doppelten Sinn des Wortes. Es entstand eine Folge von Aquarellen, die den Blick des Beschauers der ragenden Form entlang hoch zum Himmel reißt, und in einigen Bildern sind sogar mehrere Hochhäuser als Farbbalken zusammengeführt, die von den Bildrändern ins Zentrum reichen und nahezu ein Schwindelgefühl erregen. Manhattans Straßen sind in Kastners Interpretation alles andere als "Schluchten". Die Architektur der Skycrapers zieht den Blick vielmehr magisch in die Höhe, erhebt, entrückt, berauscht. Neben den ungewöhnlichen Blickwinkeln und kühnen Formzusammenstellungen sind es auch die kraftvoll strahlenden und mit breitem Pinsel aufgebrachten Farben, die den Beschauer für die Werke einnehmen. Die Farben und die sichtbaren Pinselspuren spielen für die Aura der Bilder eine entscheidende Rolle, denn sie legen die Formen ins Positive aus und zeichnen ein Bild von Stadt, das eine Atmosphäre von Toleranz und Vielfalt, von Geheimnis und Freizügigkeit' atmet, Worte, mit denen Kastner selbst sein Stadterleben beschreibt. Das Thema Stadt beschäftigt Kastner auch in seinen großformatigen Acrylbildern. In ihnen meldet sich wieder sein Sinn für die Verknüpfung zum Wort, wenn er beispielsweise über die vor dem Himmel stehenden Hochhausspitzen die schwarzen Konturen eines Trucks setzt - eine Verbindung, die Synästhesie hervorruft und dem nach oben gezogenen Blick geradezu das Motorengeräusch des Lastzugs auf der Straße unterlegt; oder wenn vor den Hochhäusern Manhattans wie in einer Geisterzeichnung die Figur eines Indianers er- scheint und daran erinnert, wem das Land im Grunde gehört, auf dem sich heute die Metropole so selbstverständlich und markant inszeniert.

Verknüpfungen dieser Art verwandeln und ergänzen die Sicht der Motive wie in den mit Botticellis Venus signierten Arbeiten und hinterfüttern sie mit einem zu deutenden Sinn. Erstaunlicherweise verzichtet Kastner auf solche Verknüpfungen in den Aquarellen und macht dieses der freien Gestaltung so aufgeschlossene Medium zum Experimentierfeld rein ästhetischer Art. In der Tat kommt genau hier Kastners künstlerisches Naturell voll zum Durchbruch, tritt der 'Forscher der Wahrnehmung' hinter den Gestalter zurück und verdichten sich die hier noch kaum ins Stadium der Reflexion getretenen Erinnerungen an Manhattan zu optischen Sensationen von packender Frische und Präsenz.

 

Kurt Zeitler

 


 

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